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Berug Bio-Baumwolle

Geschrieben von Gesundheit365. Veröffentlicht in Biobauern

Betrug mit angeblicher Biobaumwolle
Indische Ware massenweise gentechnisch verändert
VON HANNES GRASSEGGER, ZÜRICH, UND JENS BRAMBUSCH, HAMBURG
Financial Times Deutschland 22.1.2010
Die Textilbranche wird von groß angelegtem Betrug mit angeblicher Biobaumwolle er- schüttert. Nach FTD-Recherchen sind erhebliche Mengen als „bio“ verkaufter Baumwolle aus Indien gentechnisch verändert worden – was den strengen Ökostandards widerspricht, mit denen große Handelsketten bei entsprechen- den Produkten werben. Betroffen sind zahlreiche Unternehmen wie H&M, C&A und Tchibo.
Der Fall trifft die Bekleidungs- industrie hart: Biotextilien gehö- ren zu den großen Trends der Branche. Zahlreiche Händler ha- ben Ökoprodukte als Marketing- instrument entdeckt. Die welt- weite Produktion von Biobaum- wolle ist binnen vier Jahren von 20000 auf141000 Tonnengestie- gen. Während der Umsatz mit Bio- textilien 2005 noch bei 500 Mio. $ lag, wird er dieses Jahr Schätzun- gen zufolge 5,3 Mrd. $ erreichen.
Zertifizierer machen mit
Den Betrug aufgedeckt hatten be- reits im April 2009 indische Behör- den. Im Westen ist der Fall der brei- ten Öffentlichkeit aber bislang ver- borgen geblieben. Es gehe um Be- trügereien in „gigantischem Aus- maß“, sagte Sanjay Dave, Direktor der indischen Agrarbehörde Ape- da, der FTD. Dutzende Dörfer hät- ten zusammen mit westlichen Zer- tifizierungsfirmen große Mengen gentechnisch veränderter Baum- wolle in den Handel gebracht. Aus Indien kommt rund die Hälfte der gesamten Biobaumwolle.
Textilhändler arbeiten für ihre Biolabel üblicherweise mit pri- vaten Zertifizierern zusammen. Diese sollen für sie überprüfen, ob Produzenten die Ökostandards einhalten. Im indischen Betrugs- fall belangten die Behörden die Anbieter Ecocert aus Frankreich und Control Union (Niederlande) laut Apeda-Direktor Dave mit Geldstrafen in Höhe von umge- rechnet mehreren Zehntausend Euro. Auf Anfragen der FTD rea- gierten die Unternehmen nicht.
H&M, C&A und Tchibo betroffen
Control Union arbeitet auch für H&M, C&A oder Tchibo. Eine H&M-Sprecherin sagte, man sei über den Vorfall informiert und habe mit dem Zertifizierer gespro- chen, „damit sich ein solcher Fehler nicht wiederholt“. Zudem räumte die Kette ein, dass man „nicht ausschließen könne, dass etwas von dieser Baumwolle für H&M-Kleidungsstücke verwendet worden sein könnte“. Nach wie vor bewirbt H&M seine Linie Organic Cotton mit „100 Prozent ökolo- gisch angebaute Baumwolle“.
C&A und Tchibo zeigten sich überrascht. Dass Biobaumwolle aus Indien gentechnisch belastet sein könnte, habe man nicht ge- wusst, so Sprecher übereinstim- mend. Tchibo kündigte an, seine Ware im Labor testen zu lassen.
Lothar Kruse, Leiter des unab- hängigen Labors Impetus in Bre- merhaven, untersucht für klei- nere Ökoanbieter Fasern und Gar- ne. „Etwa 30 Prozent der Bio- baumwollproben sind gentech- nisch verändert“, sagte der Exper- te. Dies sei ein Skandal: „Wer Bio kauft, will sicher kein Gentech.“
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